ANDJUJKA / Bela Tukadruz


Auszug aus dem Manuskript des neuseten Romans von Bela Tukadruz* „Andjujka“**, der von dem Verlag „Zavetine“ allen Übersetzern (ins Deutsche, Englische, Spanische, Französische, Schwedische, Russische, Chinesische, Japanische) in der Welt empfohlen wird – Ich glaube daran, dass dieser ausgezeichneter Roman Ihr Interesse erwecken wird, damit Sie ihn als Ihre Ausgabe veröffentlichen. Dieser Roman ist eigentlich eine Trilogie. Der erste und der zweite Teil der Trilogie sind zum ersten Mal 1999 und 2000 in Beograd unter den Titeln „Trgovci svetlošću“ („Lichthändler“) und „Kuća svetih ratova“ („Das Haus der heiligen Kriege“)erschienen.
Damit Sie eine Vorstellung von dem Manuskript dieses Romans bekommen, schicken wir Ihnen einen Auszug aus dem Roman „Andjujka“ in Übersetzung von Marija Vaš. Wir legen auch einige Texte von Literaturkritikern und eine kurze Biobibliografie von Bela Tukadruz bei.

Bela Tukadruz ( alias Miroslav Lukic. 1950...)
Bela Tukadruz ( alias Miroslav Lukic. 1950…)

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srpsko izdanje trilogije (fotodokumentacija Zavetina)
srpsko izdanje trilogije (fotodokumentacija Zavetina)

DUNKLES VILÂYET: die einzig mögliche Einleitung

ICH HABE EINEN TRAUM GETRÄUMT und ich hätte ihn vergessen, wenn ich nicht die Ortskirche, in der ich getauft wurde und in derer Nähe ich aufgewachsen bin, geträumt hätte:sie war im Innern in die monumentale Höhe der größten Kathedralen gewachsen und hatte – statt des Altars – Galerien, die bis zum Gewölbe in Form einer silbern-purpurfarbenenPyramide erhoben waren…
Ja, ich habe von der Kirche in meiner Heimat geträumt, von der kleinen, weißen Kirche auf dem Hügel, die von meinen Ahnen, deren Namen mit goldenen Buchstaben am Eingang eingeritzt sind, gebaut wurde. Im Traum war das der gleiche Hügel und die Kirche war von außen gleich, sie war nur etwas nördlichergerückt, etwa fünfzig Schritte. Ich konnte mich an die Gegend um die Kirche erinnern, ich sahzerstreuteSteine im Gras und ein sehr altes,mit grünem Kräuselmoos bewachsenesGrab. Ich ging um die Kirche herum, bevor ich in sie eintrat, was ich auch in meiner Kindheit gewöhnlich machte. In dem Moment als ich reinging (aber auch während des ganzen Traums) war niemand da. Am Ende des halbdunklen Ostteils erhob sich eine Galerie, zu der die Treppen, die ich hochstieg, führten. Die Wände der Galerie waren mit Bildern bedeckt. Auf dem größten Bild konnte man einen Saal sehen, in dessen Mitte Salomo mit einem silbernen Schildchen stand, auf dem Folgendes geschrieben war:
Ich habe Tausende Heroen besiegt,
Tausende Könige niedergeschlagen,
Über Tausende Ländergeherrscht,
Aber einen einzigen Tod konnte ich nicht besiegen!
Ich ging die Treppe zur zweiten Galerie hinauf. Sie war auch bemalt und erregte meine Aufmerksamkeit. Ich sah einen Haufen an ertrunken Truppen im Meer, und den versunkenen Zigeunerzaren Firaun am Meeresgrund. An der Meeresoberfläche schwamm eine hinkende und erschrockene Zigeunerin, die sichan einen uralten Baumwie ein Ertrinkender an einen Strohhalm klammerte. Der Baum trieb auf dem Wasser dem Teufel überlassen, damit er ihn zur Küste zog.
Die dritte Galerie war von der zweiten proportional kleiner: von oben schien mir das Kirchenschiff größer als dieSchiffe in dengroßartigsten Kathedralen Europas. Über der Treppe, die zur vierten Galerie führte, hing das Bild einer Schar großer Fische. Und ein Bild des Ausgangs aus einer Höhlenöffnung, vor der sich weiße Fohlen aufbäumten. Aus der Höhle kamen unbekannte Reiter mit Edelsteinen, die stärker als Sterne leuchteten, in den Händen raus…
Dann kam ich von den Galerien runter und begab mich zum Ausgang, aberich warf noch einen Blick, bevor ich rausging. In dem Moment sah es so aus, als ob vom Gewölbe ein Licht strahlen würde und alle Galerien zu einer silbern-purpurfarbenen Pyramide zusammenfliessenwürden. Es schien mir, als ob ihre Spitze mit dem Kirchengewölbezusammenschmelzen und bis zum Himmel reichen würde. Ich kann von der Zahl der Galerien nicht zeugen: aber es gab mehr als ich besuchte und alle waren wie Dreiecke übereinanderen aufgetürmt.
Die Galerie ganz unten war dieausgedehntesteund die ganz oben eng wie ein Trauring.
Neben der Eingangstür sah ich eine Ikone, auf der die Gestalt einer frommen Fraubetont war (sie erinnerte mich an ein schon gesehenes Gesicht, aber ich konnte mich nicht erinnern an wessen), neben ihrem Mund schrieb der Meister mit lesbaren Buchstaben:
Ich träumte von der Sonne und gebar einen Sohn. Ich träumtemit grauen Haaren auf dem Kopf wieder von ihr und mein Enkel wurde geboren. Als ich von zwei Sonnen träumte, zerbröseltenmeine Zähne schon im Kiefer und meine Enkelin gebar Urenkel – Zwillinge. Das letzte Mal träumte ich vom Mond, während die Zeit die letzten Falten in mein Gesicht furchte und meine Enkelin gebar eine Urenkelin zu meiner Freude…
Es war klar, dass der Traum gleichzeitig ein Rätsel und das unglaublichste Märchen ist, aber Rätsel haben eine Lösung, glaubte ich. Ich versuchte den Traum zu verstehen und war mit dem Unbekannten, mit eigenem Unwissen, mit der Finsternis meiner Vernunft konfrontiert.
Ich dachte an bestimmte Ähnlichkeiten davon, wovon ich träumte und vom buddhistischen Tempel.
Der Traum musste eine bestimmte „Rolle“ haben, eine Nachricht überbringen, vermutete ich und versuchte die zu verstehen.
Laut meinen Tagebuchnotizen konnte ich die Zeit, als ich ihn träumte, feststellen:das war während der Sommerferien – ich schriebdamals eine Rezension über das Manuskript der Volksüberlieferungen der Zigeuner…

[VOR LANGER ZEIT, als die Zigeuner ein großes Zarentum hatten und alle Menschen gut und ehrlich waren, war Gott nicht so hochoben, sondern nur ein paar Meter über der Erde. Die Zigeuner konnten ihn immer sehen und mit ihm reden. Jeder Zigeuner konnte Gott fragen, was morgen sein werde, wer heiraten werde, wieviel Kinder man haben werde, wann man sterben werde, ob die Ernte gut sein werde… Aber Gott langweilten die ständigen Fragen der Zigeuner zu diesem und jenem, Er erhob sich hoch auf das Bergdach und verfluchtete die Zigeuner, dass sie nie etwas haben und mit großer Mühe ihr Brot verdienen…
Das war vor langer Zeit, hee, in der Zeit als der Zigeunerzar Firaun zuerst seinen Vater und dann viele andere hängte. Wenn er Türme aus Käse und Fleisch baute, Schlagzeuge spielte und Blitze machte. Da fiel ihm ein, mit der Armee über das Meer zu gehen, aber er wußte nicht wie, deshalb sagte er:
„Wenn Gott so mächtig ist, solle er das Meer teilen und einen Weg für mich und meine Armee machen“.
Gott teilte das Meer und man sah einen Weg am Meeresgrund. Man sah gesunkeneSchiffe voller Schätzeim Schlamm. Und viele Perlenauster.
Die Zigeuner sammelten sie lärmend unterwegs. Als sie die Mitte des Meeres erreichten, wandte sich der Zigeunerzar und sagte den Zigeunern:
– Seht ihr, dass auch Gott auf mich hört?
Gott wurde wütend, führte wieder das Meer zusammen, die ganze Armee ertrank, nur der Zar blieb an der Meeresoberfläche.
– Wem gehört das Zarentum, Firaun?
– Mir, antwortete der Zar.
Gott überflutete ihn bis zu den Knienund fragte:
– Wem gehört jetzt das Zarentum?
– Mir, antwortete der Zar und versank bis zur Taille im Meer.
Zum dritten Mal fragte Gott, wem das Zarentum gehöre, und Firaun antwortete wieder:
„Mir.“
Gott legte Firaun in Ketten und ließ ihn zum Meeresgrund runter.
Der Grund, warum es auch heute Zigeuner gibt, ist, dass, als Gott das Meer wieder zusammenführte und alle Zigeuner ertranken, eine hinkende Zigeunerin im Leben blieb, die, sich an einem im Meer treibenden Baum klammernd, jammerte: „Ah,eine Nachkommenschaft der Zigeuner wird es nie mehr geben!“
Der Wasserteufel hörte sie, schwamm aus der Meerestiefe heraus und schlug ihr vor, seine Frau zu werden. Die Zigeunerin sagte Ja und von ihnen stammen die Zigeuner, die es überall in der Welt gibt.

Wenn die Zigeuner wüssten, an welchem Tag Gott ihren Zaren in Ketten gelegt und ihn überflutet hatte, würde Firaun aus dem Meer rauskommen undes würde wieder ein Zarentum derZigeunergeben. Aber die Zigeuner wissen nicht, welcher Tag das ist und jeden Tag schägt ein Zigeuner mit dem Hammer auf den Amboß und sowerdendie Fesseln des versunkenen Zaren nochfester…]

Das Buch mit Volksüberlieferungen der Zigeuner lesend habe ich mich bemüht, mich an noch andere Bilder der zweiten Galerie aus meinem Traum zu erinnern. Aber alles war umsonst. Eine Nacht habe ich wieder einen Traum von Zigeunern geträumt, der war noch unverständlicher. Eine alte Zigeunerin war von einer Gruppejüngerer Frauen und Männer umgeben, die sich vorbereiteten, mit dem Wind im Rückenin alle vier Himmelsrichtungenzu gehen undendlos umherzuziehen. Diese Zigeunerin (die Urmutter der Zigeuner?) wandte sich an mich mit diesen Worten:
„Gehen Sie und suchen Sie das Dorf Gottes, es befindet sich unter einem Bergdach. Wenn Sie dahin gelangen, werden Sie wieder mit Gott sprechen können. Fragen Sie Ihn, an welchem Tag er unseren Zaren Firaun überflutet hat. Vielleicht wird er es Ihnen sagen…“
Woher kommen Träume und Visionen?
Als ich den Eindruck hatte, dass ich am weitesten davonentfernt war,den Traum zu verstehen, ging ich in ein dunkles Labyrinth runter, das sich in Tausende gewundene Wegeverzweigteund ich hatte Angst, dass ich nie wieder aus diesem Unbekannten in mir rauskommen werde. Vielleicht stellte die Kirche meine Persönlichkeit dar, mein Alles, mein Bewusstes und Unbewusstes? Oder vielleicht waren die Galerien nur ein Bodensatz der Stockwerke meines Bewusstseins?
Ich muss durch alle meine Alpträume, Träume und Visionen, durch die Hölle der Leidenschaft und der Ambitionen durch, um alles verstehen zu können. Ich war in diesem Moment sicher, ich hattenachdem Aufwachendas Gefühl, als ob ich aus einem Märchen, aus einem dunklen Vilâyet voller Edelsteine, mit einem Stein in der Handzurückgekommen wäre. Dieser „Edelstein“ stellte den Inhalt des Unbekannten und Unbewussten dar, der in meinem Traum zum Vorschein kam. Das wunderschöne Innern und die Galerienmit allem was in ihnen war undvon denen ich leider nicht alle sah– alles ähnelte einem Märchen: das war ein kurzes Märchen, aber eshatte zahlreiche Rätsel!
Es tat mir Leid, dass ich aufwachte, ohne die Galerie ganz oben anzusehen. Ich musste wach Bewunderung und Reue fühlen.
Der Traum hat mich sehr beeindruckt…
Eines Sommertages las ich ein jüdisches Volksmärchen – DAS GEHEIMNIS DES GOLDENEN SCHLOSSES.
Im Märchen flieg der König Salomosieben Tage und sieben Nächte mit Edelleuten und Dienerschaft auf den Flügeln des Windes. Am siebten Morgen, als er auf die Erde sah,bemerkte er ein großes Schloss aus purem Gold. Der König wunderte sich und fragte seine Mitfahrer:
– Habt ihr je auf der Erde so ein Schloss gesehen?
Die Edelleute antworteten, dass sie nie so ein Schloss sahen und König Salomo befahl dem Wind, er sollte sie zur Erde hinablassen. Dann kamen der König und sein Feldherr Asaf näher dem Schloss, aus dem sich die Duft eines Paradiesgartens verbreitete. Die beiden gingenum das Schlossdie Tür suchend, aber sie fanden keine. Sie gingen ein paar Mal rundum, aber da gab es keine Tür.Der König wollte unbedingt reingehen und sehen, was es da drinn gab…
Dann rief SalomoRaamja, den Feldheer der Zauberer und sagte ihm:
– Schick deinen Heer zu sehen, ob es drinnen im Schloss Leute oder Lebewesen gibt.
Raamja pfiff und kurz danach flogen von allen Seiten Zauberer zu und sammelten sich zu einer dichten Wolke auf dem Himmel über dem Schloss. Raamja flog nach oben und sagte ihnen, was er zu sagen hatte, und sein Heer der Zaubererstürzte sich wie eine schwere Wolke auf das Schloss. Nach kurzer Zeit begannen die Zauberer einer nach dem anderen aus dem Schloss rauszukommen, flogen zu ihrem Herrnzu und teilten ihm in ihrer Sprache mit, was sie im Schloss fanden und sahen. Sobald einer seine Mitteilung übergab, flog er in den Himmel und verschwand. Als der Letzte nicht mehr zu sehen war, fragte König SalomoRaamja:
– Was haben dir deine Zauberer erzählt?
Raamja neigte sich vor und sagte:
– Sie haben mir gesagt, dass es im Schloss niemanden gebe. Nur auf dem Dach hat sich ein Adler ein Nest gebaut. Sie haben ihn gesehen, wie er darüber fliegt und auf die kleinen Adler aufpasst…
Als König Salomo die Geschichte hörte, wandte er sich an Schemewer, den Feldherr des Vogelheers:
– Geh, und hol diesen Adler!…
Und dieser holte ihn. Den Adler Alnodad, der siebenhundert Jahre alt war.
– Wenn du weißt, wo die Tür zu diesem Schloss ist, zeig sie mir! – sagte der König.
Der Adler breitete seine Flügel hilflos aus und sagte:
– Mein Herr, mein König, bei deinem Leben schwöre ich: ich habe nie gesehen oder gehört, wo der Eingang ins Schloss ist. Aber wenn du willst, kannst du das vielleicht von meinem älteren Bruder Eyfay erfahren.
Der ältere Bruder Eyfay sagte:
– In meinem Leben habe ich nicht gehört, wo die Tür des Schlosses ist, aber vielleicht weiß mein Großvater mehr. Es ist Tatsache, dass er so alt ist, dass er nicht mehr fliegen kann, deshalb werden wir, seine Enkel und Urenkel ihn auf unseren Flügeln zum König Salomo bringen…
Der Adler Zofar, der tausenddreihundert Jahre alt war, sagte:
– Meine Augen haben nie die Tür des Schlosses gesehen. Ich erinnere mich nur daran, dass mein Vater mir einmal erzählt hat, dass es einen Eingang an der Westseite gibt, aber dass er durchden Wind mit Erde und Staub bedeckt ist.
Der König bedankte sich bei dem alten Adler Zofar für die Auskunft, verabschiedete sich von ihm, und die Nachkommen hoben Zofar auf ihre Flügel und flogen mit ihm weit weg.
Dann gab er ein Zeichen den Winden und Stürmen:sie sollten sich erheben, von allen Seiten der Welt kommen und die Erde und den Staub, die sich jahrhundertelang an der Eingangstür anhäuften, fortwehen. Den Edelleuten und der Dienerschaft befahl er, Zelte aufzustellen und sich in sie zu verstecken, damit der Wind und der Staub sie nicht forttragen. Der König gabdas Zeichen, starke Windewehten, ein Gewitter hob Staub, Sand und Erde und trug sie in alle vier Himmelsrichtungen. Vor Salomo erschien bald eine Tür aus Eisen, die aufgebrochen undangebrannt war. Über dem Eingang war eine Aufschrift, die so lautete: „Mensch, du musst wissen, dass wir in diesem Schloss uns amüsiert haben und viel Spaß gehabt haben, bevor der Hunger gekommen ist. Als wir nichts mehr hatten, haben wir Perlen statt Mehl gemahlt, und als wir auch die aufgegessen haben, haben wir dieses Zuhause verbrannt und verlassen. Es soll Unterkunft für Adler sein.“
Salomo sah sie etwas aufmerksamer an und sah noch eine Zeile. Er las sie. Dort war geschrieben: „Wer kein König oder Prophet ist, soll nicht eintreten!“
Rechts von der Eingangstür sah Salomo eine Nische, kroch rein und fand eine Kristall-Schachtel. Er öffnete sie und fand einen Schlüssel. Er nahm den Schlüssel, ging einen Schritt weiter und fand eine kleine Tür aus purem Gold. Er machte sie auf und trat in einen großen Raum ein, dessen Wände mit Edelsteinen bedecktwaren.
Auf dem Boden fand er einen silbernen, schlangenförmigen Riegel. Er schob den Riegel und sah Treppen, die in die Tiefe führten. Als er runterging, kam er in eine große Höhle, in der großer Schatz aufgehäuft war. Er ging die Höhle entlang und kam zu ihrem Boden. Dort fand er eine mit Edelsteinen bedeckte Tür. Darauf war ein goldener Schild befestigt, worauf stand:
„Der Tod hat den König, der hier mächtig herrschte und die Güter der Erde genoß, vorzeitig geholt.“
König Salomomachte die Tür auf und sah einen strahlenden Tronsaal. Auf dem Tron saß ein Mann. Er kam näher zu ihm. Da gab´s was zu sehen: das war eine stumme Statue. König Salomonäherte sich ihr und berührte sie. Die Statue bebte vor Wut, ihre Augen wurden zu glühende Kohlen, aus dem Nasenloch kamen Feuer und beißender Rauch. Dann stöhnte sie und sagte:
– Böse Geister, Zauberer, Todesengel, Meeresdrachen und andere dunkle Mächte, beeilt euch, kommt zu Hilfe! Ein sterblicher Mensch hat mich berührt!
Blitzschnell wurde der ganze Saal voll mit dunklen Kreaturen, man hörte Pfeifen, Zischen und Flügelschlagen. Als die alle Salomo angreifen wollten, hob dieser seine Hand und schrie mit Donnerstimme:
– Verschwindet, sündige Kreaturen, ich werde euch vernichten! Wisst ihr nicht, dass ich König Salomo, euer Herr, bin?
Als die dunklen Kreaturendas hörten, flogen sie durch die Wände hinaus, und zwar noch schneller als sie reinkamen.
– Flüchten wir in die Meerestiefe! Sogar dort wird uns besser sein, als wenn wir in Hände Salomos geraten würden.
Als der Saal leer wurde, hörte man Stöhnen und Knirschen und die Statue fiel auf den Boden.
Salomo kam näher, sah sie an und bemerkte ein silbernes Schildchen, das auf einer silbernen Kette hing. Er versuchte zu lesen, was auf dem Schildchen geschrieben war, aber konnte das nicht. In dem Moment hörte er leise Schritte und sah,wie ein junger, wohlgestalteter Mann mit wunderschönen Augen durch die Wand kam. Er neigte sich vor.
Der König gab ihm das Schildchenin die Hand und dieser las:
– Dies sind die Worte des großen Königs Schedad ben Adad, die er aufgeschrieben hat, damit man sie für immer und ewig merkt:
Ich habe Tausende Heroen besiegt,
Tausende Könige niedergeschlagen,
Über Tausende Länder geherrscht,
Aber einen einzigen Tod konnte ich nicht besiegen!
Sobald der junge Mann diese Worte las, verschwand er–und zwar schneller als er kam. König Salomo kam aus dem Schloss raus und während er durch die verlassenen, prächtigen Räume ging, dachte er über den Vermerknach und merkte sich die Meldung.
Nie früher habe ich dieses Märchen gehört, aber im Traum habe ich das Schildchen gesehen, auf dem die Worte des großen Königs Schedad ben Adad aufgeschrieben waren. Aufgeschrieben, damit man sie für immer und ewig merkt…
„2. Ehe die Sonne und das Licht, Mond und Sterne finster werden und Wolken wiederkommen nach dem Regen, –
3. zur Zeit, wenn die Hüter des Hauses zittern und die Starken sich krümmen und müßig stehen die Müllerinnen, weil es so wenige geworden sind, und wenn finster werden, die durch die Fenster sehen,
4. und wenn die Türen an der Gasse sich schließen, dass die Stimme der Mühle leiser wird, und wenn sie sich hebt, wie wenn ein Vogel singt, und alle Töchter des Gesanges sich neigen;
5. wenn man vor Höhen sich fürchtet und sich ängstigt auf dem Wege, wenn der Mandelbaum blüht und die Heuschrecke sich belädt und die Kaper aufbricht; denn der Mensch fährt dahin, wo er ewig bleibt, und die Klageleute gehen umher auf der Gasse; –
6. ehe der silberne Strick zerreißt und die goldene Schale zerbricht und der Eimer zerschellt an der Quelle und das Rad zerbrochen in den Brunnen fällt.
7. Denn der Staub muss wieder zur Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat.
8. Es ist alles ganz eitel, spricht der Prediger, ganz eitel.
9. Der Prediger war ein Weiser und lehrte auch das Volk gute Lehre, und er erwog und forschte und dichtete viele Sprüche.
10. Er suchte, dass er fände angenehme Worte und schriebe recht die Worte der Wahrheit.
11. Die Worte der Weisen sind wie Stacheln, und wie eingeschlagene Nägel sind die einzelnen Sprüche; sie sind von einem Hirten gegeben.
12. Und über dem allen, mein Sohn, lass dich warnen; denn des vielen Büchermachens ist kein Ende, und viel Studieren macht den Leib müde…“
In meinem Studentenexemplar der BIBEL – im BUCH KOHELET (PREDIGER) – waren diese Zeile unterstrichen.
Ich unterstrich sie mit einem Bleistift, zeichnete auf der Marginalie eine schwarze Schneeflocke und schrieb eigenhändig mit kleinen Buchstabenunter sie die Worte, die mir wirklich eine Frau aus dem Volke, eine Walachin Adjujka sagte. Als ich jung war, besuchte ich die Berge Balkans und während ich walachische Volksüberlieferungen sammelte, traf ich sie. Ich erkannte nach vielen Tagen und Nächten die Gestalt der frommen Frau auf der Ikone neben dem Kircheneingang: das war Adjujka, die ich, wie es schien, vergaß.
Die Worte auf der Ikone im Traum waren wortwörtlich in meinem Exemplar der BIBEL aufgeschrieben!
Ich konnte mich an den Moment erinnern, als die Walachin Andjujka die Worte sagte, die auf Marginalien des BUCHES KOHELET aufgeschrieben waren. Und an das zufällige Treffen auf der Straße, als sie, wie andere alte Frauen im Balkandreieck kostümiert, von der Reise in die Berge zurückkam. Auf dem Rücken trug sie walacher Rucksäcke, aus denen gepflückte Heilkräuter hervorlugten, eine gewebte Tasche hatte sie in der linken Hand und einen Haselstaudenstock in der rechten. Sie hob ihn Richtung Sonne, die über den Bergen und Gebirgsdächern aufging und sagte, obwohl ich ihr keine Anregung dazu gab, dass sie von der Sonne träumte und dass sie einen Sohn gebar…

WAHRSCHEINLICHhatte Recht der Rumäne, der seine Heimat verließ und nach den ersten Lektionen der Weisheit, die man auf Friedhöfen sammelt, in Paris berühmt wurde – derjenige, der daran glaubte, dass die einzig wahre Welt eigentlich die primitive Welt ist, wo alles möglich ist und nichts realisiert wird, wortwörtlich aus der Heimatherausgerissen, aus der Erde und jener primitiven Welt, mit einem Freiheitsgefühl, das daraus hervorging.
Er kannte die Wichtigkeit des Traums besser als der Dichter: der Traum ist das Geheimnis des Menschen, das Geheimnis des Lebens. Er macht das Leben möglich. Ich bin apsolut überzeugt,schrieb er, dass es, wenn die Menscheit am Schlafen gehindert wäre, zu einem beispiellosen Blutbadkäme, und dass die Geschichte zu Endewürde…
In den Notizbüchern, die ich letzten Sommer geführt habe, gibt es Notizen über meinen kurzen Urlaub, den ich vorzeitig, wegenschwer erklärbarer Gründe, abgebrochen habe. Vor meiner Abreise aus dem Heimatort habe ich eine Nacht begonnen, Zeilen, die Versen ähnelten, zu schreiben, die das Schweigen, welches von Gottes Übermacht kommt, durchdrungen haben. Das Wort musste aus mir raus, um jemanden anderen zu belasten, einen Richtigen und Wahren, obwohl ich es niemandem aufbürden wollte. Ich war bedrückt, falls ich mich so ausdrücken kann, von etwas, was zum tiefsten Schweigen gehörte. Mit diesem Gefühl habe ich meine Heimat verlassen.
All das geschah vor dem Traum, den ich danach träumen musste…
Meine Beschreibungen sind ziemlich blass im Vergleich mit den Möglichkeitender sogar schlechtesten Kodak-Kamera. Ich brachte den Fotoapparatmit und verewigte einstige, grasbewachsene Wege, verlassene Häuser und Familienfriedhöfe, alte und schwarz gewordene Kreuze, Ställeund weit geöffnete Läden mit vor langer Zeit benutztemWerkzeug, Pfeiler von halbruinierten Toren. Ich besuchte Hirtenweiler und Meierhöfe – Hirtenwohnungen- und war mit gespenstischer Verwüstung konfrontiert. Auf den Bergen des Balkans wuchs Moos, das zuerst in den Gefühlen und im Gehirn einer in den letzten Zügen liegendenGeneration zu wachsen begann.
Die meisten Leute, die einst da gelebt haben und die ich gekannt habe, sind gestorben, und ihre Namen wurdenzu Legende.
Ich habe ihre mit Licht erhellte Höfe, einstige, mit Unkraut bewachsene Gärten und durch Buchse und Tanneneingerahmte Gartenwege gesehen. Vor einem alten, einsamen Haus war ein Buchsbaum, der wie ein Mann groß war. „Ich habe diesen Buchsbaum vor dem Haus angetroffen, als ich geheiratet habe“, sagte mir die Hausfrau, die Letzte, die hier lebte. In der Zwischenzeit ist auch sie gestorben und ihr Grab ist am Ende des Hofes. Niemand kümmert sich weder um dieses Grab noch um die Gräber auf den weit entfernten und verlassenen Familiengüter in den Bergen in der Umgebung…
Ich habe auf dem Rückweg von einem gelben Bergden Weg entlang, den jährlich zwei-drei Menschen gehen, die Axt (die ich statt eines Stocks mitgebracht habe) geschwungen und den Baum der Gewöhnlichen Robinie geschlagen. Man hat den Schlag der Axt gehört. Mein Sohn hat zugesehen, wie ich wieder die Axt geschwungen habe und ich habe in dem Moment auf die Straßegeschaut und plötzlich eine Gestalt von hinten bemerkt. Ich habe aufgehört zu schwingen und Richtung Kurve gesehen, wo die Gestalt blitzschnell verschwunden ist. Mein Sohn hat auch in die Richtung gesehen, aber hat nichts bemerkt. Er hat nicht verstanden, worum es ging. Es war gegen zwei Uhr am Nachmittag. Er hat mich fragend angesehenund bemerkt,wie meine Haare sich vor Angst gesträubt haben.
Was passiert mit den Gestorbenen, mit den Toten?

BUCH DER ASCHE,
DER GROßEN RÜCKKEHR,
DER TRÄUME UND DES LICHTS…

Der Traum ist eine Wiege und die Geschichte (Historie) ist das Grab der Poesie.
Der Ritter-Alchemist, der vielleicht all dies geschrieben hat, da all dies einen unsichtbaren und unsignierten Koautorhat, irrte durch dunkle Zimmer des damaligen Hauses der heiligen Kriege herum, auf der Suche nach den Lichthändlern (das Licht, ich betone, das ist das Einzige, was der Mensch einsaugen soll) und nach den Bedeutungen der Träume, nach dem Hauptgott. Er schritt durch das Meer der Asche.
Sie sind verschwunden, für immer und ewig in Asche aufgelöst…
Er ging durch Labyrinthe der Witwenschaft der Unterwelt, begleitet von einem Polyp mit tausend Armen, beflügeltemSchlangengeringel, der Raserei.
Er hörte das, was Sonnengott sagte und was der Teufel sagte, das Leben und den Tod.
Den roten Faden durch Wahrheit und Lüge, Gutes und Böses, Licht und Finsternis, hielt der Hermaphrodit des untersten Anfanges in seinen Händen.
… Herr der Frösche, die im Wasser wohnen und ans Land steigen, die amMittag und um Mitternacht im Chore brüllend singen…
In ihm wardas Volle, das sich mit dem Leeren einigt, die Liebe und ihr Mord, der Heilige und sein Verräter, das hellste Licht des Tages und die tiefste Nacht des Wahnsinns…
Das warGott über alle Götter, den die Menschen nicht kennen, den das Menschengeschlecht vergessen hat, noch unbestimmter als Gott und Teufel.
Das ist die gewaltigste Kreatur, in ihm erschrickt die Kreatur vor sich selbst.
Das ist das Entsetzen desSohn vor seiner Mutter.
Das ist die Liebe der Mutter zum Söhne.
Das ist das Entzücken der Erde und die Grausamkeit des Himmels.
Vor seiner Unterstützung ähnelte der Mensch einem Stein.
Vor ihm gibt es keine Fragen und keine Antworten.
Das ist das Leben der Kreatur.
Das ist das Wirken der Unterschiedenheit.
Das ist Liebe des Menschen.
Das ist die Rede des Menschen.
Das ist der Schein und der Schatten des Menschen.
Das ist die täuschende Wirklichkeit…
Er näherte sich dem ANFANG, dem einzigen Anfang, als Gott Himmel und Erde schuf.
Und die Erde war wüst und leer, und es war finster aus der Tiefe;
und der Geist Gottes brauste über die Wasser.
Und Gott sprach: Es werde Licht! und es ward Licht
Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis
und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.
In sechs Tagen schuf Gott Erde und Meer, Gras, Kraut und Bäume, die Sonne, die Sterne und den Mond, Vögel, große Walfische, Vieh, Kriechtiere und große Tiere und am sechsten Tag schuf er den Menschen als sein Ebenbild – den Herrscher über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über die Welt und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen…
Er schuf Wasser in Hülle und Fülle.
Die Bergspitzen, die Sierra Anden.
Den Himalaja, den Tianschan, den Altai, den Gat.
Die riesigen Bergspitzen Elbrus, Kazbek, Bazardüzü.
Die Pyrenäen, den Balkan, die Karpaten, Dofrefield im Norden, den Berg Hekla auf offener See.
Den Vesuv und den Ätna, den Mondberg und Red Mountain in Madagaskar.
Die Wüsten in Libyen, Arabien und Asien.
Und Reisende durch den Weltraum.
Und die wunderbare Anuke,deren geschmeidigenKörper die kastrierten Sklaven drei Tage mit ätherischen Ölen, die Manneskraft wecken,gerieben haben.
Danach schminkte sie ihre Augen grün, zeichnete blaue Furchen auf ihren Stirn und färbte ihre langen Fingernägel rot.
Am vierten Tag erschien sie im Schloss in Memphisin einem silbernen, durchsichtigen Musselin mit eingewebtem Kreis aus Rubinen an den Brüsten und einem Gürtel aus Beryll.
Auf ihrem Kopf strahlte ein Diadem mit wundersamem Edelstein.
Der große Sohn der Sonne, der berühmte Amenophis wartete im riesigen Tronsaal mit bunten Säulen auf dem niedrigen Tron aus Elfenbein, geschnittenem Gold und rotem Brokat.
Sie näherte sich dem Tron mit einem Lotos, der Blume von Isis, in der Hand und sang „Die Hymne an die Sonne“.
Der mächtige Pharao, auf dessen Brust ein Pektoral aus Goldstoff und Onyx hing, und an dessen Stirn ein Ursus strahlte, vergaß, von dieser göttlichen Erscheinung erregt, die Hofzeremonie und kam vom Tron zu Anuke. Und als sie sich vor ihm niederwerfen wollte, fasste er ihre beiden kleinen Hände, zog sie näher und begann wie von ihrem Duftbetrunken ihre nacktenOberarme und Brüste zu küssen.
Danach führte er sie ins Kaiser Schlafgemach…
Der Prophet der Lebensfreude, entschlossener Gegner der Askese, Pharao Amenophis IV aus der 18. Dynastie…

Die Toten,die Ahnen des Ritter-Alchemisten, erhoben großen Tumult, denn sie waren Christen.
Er ging weiter durch das verworrene Labyrinth, tritt die Asche seiner Ahnen und der Geschichte bis zu den Knien, wie durch einen Sumpf ohne Ende, seinen Blick nicht zum Hauptgott gerichtet, denn Ihn sehen, heißt Blindheit.
Er nahm Gott, den seine Ahnen vergessen haben, nicht wahr – Ihn erkennen heißt Krankheit. Er betete ihn auch nicht an, weil das der Anfang von etwas Grausamem, vom Tod wäre.
Er hatte Angst vor Ihm – sein goldener Faden führte ihn wie Adriadnes Faden.
Er widersetzte sich nicht; er widersetzte sich der großen Rückkehr nicht: er schritt durch Finsternis und Asche, während die zornigen Totenheulten, denn sie waren Unvollendete.
Er stieß mit alten schwarzen Richtern zusammen, die den Urteil aussprachen, dass die Seele der toten Anuka vierunddreißig Jahrhunderte herumirrt, in Körpernvon unreinen Tieren und Frauen.
Er begegnete einem alten, dünnen Kamel, in das Anukas Seele hinübergegangen war und das schwere Last auf sich trug und Durst duldete – mitten unendlicher wasserarmen Gebieteund heißer Wüstenwinde.
Und einem kleinen roten Skorpion.
Und einer alten Hexe mit Schakalaugen und feurigem Haar.
Und einer großen Ratte, die glänzendes, rotes Fell hatte.
Einem Hippopotamus. Einem Mandrill. Einem Stinktier.
Einem Kuguar. Einer Wanze. Einem Serval.
Einer indischen Kuh und einer Vampir Hyäne.
Einer Eule und einer Kröte.
Und allen unreinen Tieren, die von der Erde, dem Wasser, der Luft und dem Feuer getragen und zerstreutwaren.
Einer Schlange, die der göttlichen Kleopatra in einem Korb voller Feigen gebracht wurde. Als sie ihren grünen Gift in die königliche, weiße, wie Assyrerkappe spitzige Brust spritzte, erbebte sie vor großer Freude…
Und den Körpern von Hetären und wollüstigen Vestalinnen.
Und der Kaiserseele von Agrippina, und als diese durchSchwertschlägender von ihrem Sohn geschickten Mördern getötet wurde, ging die Seele in eine Eselin hinüber, die hier an der Küste traurig jahte.
Da fühlte sie zum ersten Mal in ihrem langen Herumirren ein unmessbares Glück…
Und einer Laus, die in Spanien zusammen mit dem Juden verbrannt wurde, in dessen Kaftan sie ruhig wohnte. DerJude wurde von der Inquisition verurteilt, damit sie zu seinem Schatz kam.
Und dem Körper von einem Blutegel, der in einer goldenen Schale mit vielen anderen ins glitzernde Schloss des ritterlichen französichen Königs François I gebracht wurde, der, obwohl er wohlgebaut, ritterlich und schön war, an einer bösen Krankheit aus Neapel litt. Und als er auf den haarigen Königsbauch mit breiten roten Flecken gesetzt wurde, wurde er vor Stolz und Freude rot. Als er schon viel krankes Blut heraussaugte, wurde er auf die Mülldeponie geworfen, wo er peinlich umkam.
Und den Pyramiden.
Und den Mumien.
Und den Pyramiden-, Hieroglyphenforscher und Forscher der mumifizierten Körper.
Und einem großenSchloss mit unzähligen Fenstern in einer fernen Stadt, die einen barbarischen Namen hat: Paris.
Er sah Jahrhunderte von Qualen, Jahrhunderte, die vergingen, und Tausende Körper, in denen Anukas lüsterne Seelewohnte. Sie ging durch Nöte und Leiden zum Tag der Rettung.
Als die letzten Jahre des Herumirrens zu Ende waren, die Stunde der Auslösung kam und die Seele in ihrer letzten Verkörperung war, ging sie in die wunderschöne Frau eines großen Würdenträgers über, dort im Osten, in einem Land, das ihrem Ägypten nah stand…
Er ging durch Finsternis und Asche wie durch den bis zur Brust reichenden Schnee, und in der Finsternis raschelten Kakerlaken größer als Schwalben.

Der Knäuel der großen Rückkehr entwirrte sichwie eine unaufhaltsame Flut von Träumen oder Gewissensbissen.
Dass man von Ahnen erbt, daswissen die Alchemisten.
Der Ritter-Alchemist wußte auch, dass jemand von seinen Ahnen in ihm wohnte, aber wer?
Er ging durch das endlose Labyrinth und suchte, aber lange fand er niemanden.
Vielleicht waren es mehrere oder mindestens zwei.
All das war in seinen Knochen, in seinen Träumen und Erinnerungen, im Labyrinth.
Und manchmal machte das einen heftigen Lärm in ihm.
Er lächelte rätselhaft, durch dunkle Gänge des Labyrinths irrend.
Er ahnte das Geheimnis unserer Ahnen – der alten Tiefen – die immer sterben, und immer wieder zurückkehren, um noch eine neue Haut zu zerreißen.
Denn er hat schon die alte Wahrheit gelesen – was sind wir alle?

„Ferner Echo einer längst verstummten Stimme, altes Bild eines schon verfaulten Körpers. Kleines rotes Stück Fleisch, das weint und dasin einem Liebeskrampf entstand, und in das ein ferner Ahne einzieht, der wie ein Vampir rastlost herumirrt. Wenn das Stück gut ist, ziehen zwei-drei in es ein.“

Aber wer zog in den Ritter-Alchemisten ein?
Er suchte und fand ihn endlich – mitten in der Stadtauf einem alten jüdischen Friedhof, der mit großen Maschinenzugeschüttet wurde und wo jetzt eine neue Schule gebaut wurde.
Er fand ihn Mitte eines Sommers, während er dem Krächzen der Raben zuhörte.
Er hörte dem Krächzen der Rabenzu, die von irgendwo aufs Kreuz in einem großen Schulhof flogen, er hörte noch etwas, was ich nicht deutlich höre, was ich vielleicht manchmal, in meinen Träumen und Alpträumen, in Echos der Geschichte und der Katastrophennur ahne…
Als Nikola Tesla Ende des letzten Jahrhunderts in Amerika gefragt wurde, welchem Volk er gehörte, gab erAntwort. Und als sie ihn dann fragten, wer die Serben seien, antwortete er, dass das ein kleines Volk sei, das mit dem Licht handle…
Alle haben diese Worte vergessen, vielleicht erinnern sich daran nur ein paar Leute auf der ganzen Welt, ein paar Raben und eine weiße Schlange – mein Begleiter durch das dunkle Haus, durch das große Labyrinth im Menschen.
Der unsichtbare und unsignierte Koautor von allem diesen entdeckte den Geburtsort des Ritter-Alchemisten, indem er ihm ein paar Raben geschickt hat.
Das ist das Haus der heiligen Kriege.

Ich ging dem Ritter-Alchemisten zu begegnen, der irgendwo in der Tiefe des dunklen Labyrints im Menschen mit dem Kentaur kämpfte. Vor mir erschien plötzlich das Bild von Richard Wilhelm.
Carl Gustav Jung begegnete Richard Wilhelm zum ersten Mal bei einer Tagung der „Schule der Weisheit“ inDarmstadt beim Grafen Keyserling. Es war anfangs der zwanzigerJahre. 1923 lud er ihn nach Zürich ein, und Wilhelm hielt im PsychologischenClub einen Vortrag über den I GING.
Noch bevor Jung ihn kennenlernte, hatte er sich mit orientaler Philosophiebeschäftigt und hatte etwa 1920 angefangen, mit dem I GING zuexperimentieren.
Während eines Sommers in Bollingenfaßte er den Entschluß, dem Rätsel dieses Buches auf den Leib zu rücken.
Jung schnitt sich ein Bündel Schilfstengel statt der Stengel der Schafgarbe, die in der klassischen Methode verwandt werden.
Er saß stundenlang unter dem hundertjährigen Birnbaum auf dem Boden, den I GING neben ihm, und übte die Technik in der Weise, daß ich die sich ergebenden Orakel aufeinander bezog wie in einem Frage- und Antwortspiel.
Es ergaben sich dabei allerhand nicht zu leugnende Ergebnisse – sinnvolle Zusammenhänge mit Jungs eigenen Gedankengängen, die er sich nicht erklären konnte.
Der einzige subjektive Eingriff bei Jungs Experiment bestand darin, daß er das Bündel der 49 Stengel arbiträr, d. h. ohne zu zählen, durch einen einzigen Griff teilte.
Jung weiß nicht, wie viele Stengel in dem einen und dem anderen Bündel enthalten sind, aber von diesem Zahlenverhältnis hängt das Resultat ab.
Alle übrigen Manipulationen sind mechanisch angeordnet und erlauben keine Willkür.
Wenn ein psychischer Kausalnexus überhaupt vorhanden ist, dann kann er nur in der zufälligen Teilung des Bündels liegen (oder nach anderer Methode im zufälligen Fallen der Münzen).
Während der ganzen Sommerferien beschäftigte Jung damals die Frage:
„Sind die Antworten des I GING sinnvoll oder nicht? Sind sie es, wie kommt der Zusammenhang der psychischen und der physischen Ereignisreihe zustande?“
Er stieß immer wieder, wie es weiter geschrieben ist, „auf erstaunliche Koinzidenzen, die mir denGedanken eines akausalen Parallelismus (einer Synchronizität, wie ich ihn nachmals nannte) nahe legte. Ich war von diesen Experimenten dermaßen fasziniert, daß ich überhaupt vergaß, Aufzeichnungen zu machen, was ich nachträglich sehr bedauerte…“
Später nahm er allerdings das Experiment oft mit seinen Patienten vor und es wurde klar, daß er eine relativ bedeutsamene Zahl den offensichtlichen Treffer versicherte.
Jung erwähnt als Beispiel den Fall eines jüngeren Mannes mit einem bemerkenswerten Mutterkomplex. Er beabsichtigte zu heiraten und hatte die Bekanntschaft eines Mädchens
gemacht, das ihm passend erschien. Er fühlte sich aber unsicher und fürchtete
die Möglichkeit, daß er sich unter dem Einfluß seines Mutterkomplexes wiederum in der Macht einer überwältigenden Mutter befinden würde.
Er machte das Experiment mit ihm und der Text seines Hexagrammes lautete: „Die Braut ist mächtig. Man soll ein solches Mädchen nicht heiraten.“
Mitte der dreißiger Jahre traf Jung den chinesischen Philosophen Hu Shih. Er fragte ihn nach dem I GING und bekam die Antwort:
„Oh, das ist nichts als eine alte Sammlung von Zaubersprüchen ohne Bedeutung!“
Der erwähnte chinesische Philosoph hatte keine Erfahrung mit dem I GING. Er erinnerte sich daran, dass er nur einmal damit im praktischen Leben zusammengestoßen war.
„Auf einem Spaziergang hätte ihm ein Freund von seiner unglücklichen Liebesgeschichte gesprochen. Sie gingen dabei eben an einem Taoistischen Tempel vorbei. Zum Spaß hätte er zu seinem Freund gesagt: ‘Hier kannst du ja das Orakel darüber befragen.’ Gesagt, getan. Sie gingen zusammen in den Tempel und erbaten sich vom Priester ein I GING Orakel. Aber er selber glaube aber diesen Unsinn nicht.“
Jung fragte ihn, ob denn das Orakel gar nicht gestimmt hätte? Er antwortete wie widerwillig: „Oh doch, natürlich…“
Eingedenk der bekannten Geschichte vom „guten Freund“, der alles das tut, was man sich selber nicht zuschreiben möchte, fragte Jung ihn vorsichtig, ob er denn diese Gelegenheit nicht selber auch benutzt habe.
„Ja“, erwiderte er, „zum Spaß stellte ich auch eine Frage.“
„Und nahm das Orakel darauf bezug?…
Er zögerte. „Nun ja, wenn man so will.“ Es war ihm dieses Thema offenbar unangenehm…
Wenige Jahre nach Jungs ersten Experimenten mit den Schilfstengeln erschien der I GING mit dem Kommentar von Richard Wilhelm.
Jung besorgte sich ihn und fand zu seiner Genugtuung, dass Wilhelm die Sinnzusammenhänge ganz ähnlich sah, wie er sie sich zurechtgelegt hatte.
Wilhelm kannte die Literatur über I GING und konnte nach Jungs Überzeugung die Lücken ausfüllen, die außer Jungs Reichweite waren.
Als Wilhelm nach Zürich kam, redete Jung ausführlich mit ihm über den I GING und sie sprachen sehr viel über chinesische Philosophie und Religion.
Was Wilhelm Jung aus der Fülle seiner Kenntnisse des chinesischen Geistes mitteilte, hat ihm einige der schwierigsten Probleme, die ihm das europäische Unbewusste stellte, erhellt.
Auf der anderen Seite hat Wilhelm das, was Jung ihm erzählte, nicht überrascht; denn in dem erkannte er wieder, was er bis dahin ausschließlich als Tradition der chinesischen Philosophie angesehen hatte.
„Als junger Mann war Wilhelm im Dienst einer christlichen Mission nach China gezogen – so Jung, – und dort hatte sich ihm die Welt des geistigen Ostens aufgetan. Wilhelm war ein echt religiöser Geist mit weitem und ungetrübtem Verständnis für Dinge. Er besaß die Fähigkeit, mit voraussetzungsloser Einstellung der Offenbarung einer fremden Mentalität zu lauschen und jenes Wunder der Einfühlung zu vollbringen, das ihn dazu befähigte, die geistigen Schätze Chinas Europa zugänglich zu machen. Er war tief beeindruckt von der chinesischen Kultur, und einmal sagte er mir: „Meine große Befriedigung ist, daß ich nie einen Chinesen getauft habe!“ Trotz seiner christlichen Voraussetzung konnte er nicht umhin, die tiefe Folgerichtigkeit und Klarheit des chinesischen Geistes zu erkennen. „Der Einfluss“ ist nicht das beste Wort für die Wirkung, die China auf ihn hatte; es hat ihn überwältigt und assimiliert. Seine christliche Anschauungswelt trat in den Hintergrund, verschwand aber nicht gänzlich, sondern bildete eine reservatio mentalis, einen moralischen Vorbehalt von schicksalsbedingender Bedeutung.
Er hatte das seltene Glück, in China einen von der Revolution aus dem Innern vertriebenen Weisen der alten Schule kennen zu lernen. Dieser alte Meister, namens Lau Nai Süan, führte ihn in die chinesische Yoga-Philosophie und in die Psychologie des I GING ein. Der Zusammenarbeit der beiden Männer verdanken wir die Ausgabe des I GING mit seinen hervorragenden Kommentaren. Dieses tiefste Werk des OSTENS wurde dem Westen zum ersten Mal lebendig und faßbar vor Augen geführt. Ich halte dieses Buch für Wilhelms bedeutendstes Werk. Bei aller Klarheit und zweifellos westlicher Mentalität zeigte er in seinem I GING eine Anpassung an chinesische Psychologie, die ihresgleichen sucht.
Als die letzte Seite der Übersetzung beendet war und die ersten Drucke kamen, starb der alte Meister Lau Nai Süan. Es war, wie wenn er sein Werk vollendet und die letzte Botschaft des sterbenden alten China dem Europa übergeben hätte. Wilhelm hat ihm den Wunschtraum vom unvergleichlichen Schüler erfüllt.
Als ich Wilhelm kennenlernte, schien er ein völliger Chinese, in der Mimik sowohl wie in der Schrift und der Sprache. Er hatte den östlichen Standpunkt angenommen, und die alte chinesische Kultur hatte ihn ganz durchdrungen. In Europa angelangt, nahm er am China-Institut in Frankfurt am Main seine Lehrtätigkeit auf. Bei seinen Fachvorträgen wie auch bei seinen Vorträgen vor Laien bedrängten ihn die Bedürfnisse des europäischen Geistes. Mehr und mehr traten die christlichen Aspekte und Formen wieder hervor. Einige Vorträge, die ich später von ihm hörte, unterschieden sich kaum mehr von konventionellen Predigten.
Seine Rückverwandlung erschienen mir etwas unreflektiert und darum gefährlich. Ich sah sie als eine Wiederassimilierung an den Westen. Ich fühlte, dass Wilhelm dadurch in Konflikt mit sich selber geraten mußte. Da es sich, wie ich zu erkennen glaubte, um eine passive Assimilation, d. h. um eine Beeinflussung durch das Milieu, handelte, bestand das Risiko eines relativ unbewussten Konfliktes, eines Zusammenpralls seiner westlichen und seiner östlichen Seele. Wenn, wie ich vermutete, die christliche Einstellung ursprünglich dem Einfluß Chinas gewichen war, so konnte jetzt das Umgekehrte stattfinden, das europäische Element konnte gegenüber dem Osten wiederum die Oberhand gewinnen. Wenn dieser Prozeß aber ohne eine tiefgehende bewusste Auseinandersetzung stattfindet, dann droht ein unbewusster Konflikt, der auch den körperlichen Gesundheitszustand in Mitleidenschaft ziehen kann…“
Nachdem Jung Wilhelms Vorträge gehört hatte, versuchte er, ihn auf die ihm drohende Gefahr aufmerksam zu machen.
Wilhelm hörte die Worte, die Jung ihm sagte:
„Mein lieber Wilhelm, bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber ich habe das Gefühl, dass der Westen Sie wieder übernimmt, und dass Sie Ihrer Aufgabe, den Osten dem Westen zu übermitteln, untreu werden.“
Er antwortete:
„Ich glaube, Sie haben recht, es übermannt mich hier etwas. Aber was tun?“
Wenige Jahre später, zur Zeit, als Wilhelm in Jungs Hause als Gast weilte, hatte er einen Anfallder Amöbendysenterie.
„Er hatte diese Krankheitetwa zwanzig Jahre früher akquiriert. Die Krankheit verschlimmerte sich in den folgenden Monaten, und ich hörte, dass er sich im Spital befand. Ich fuhr nach Frankfurt, um ihn zu besuchen, und fand einen Schwerkranken. Die Ärzte hatten zwar die Hoffnung nicht aufgegeben, und auch Wilhelm selber sprach von Plänen, die er ausführen wollte, wenn es ihm wieder besser ginge…“
Jung hoffte mit ihm, hatte aber Zweifel.
Was Wilhelm ihmdamals anvertraute, bestätigte Jungs Vermutungen.
„In seinen Träumen – so Jung, – befand Wilhelm sich wieder auf den endlosen Pfaden öder asiatischer Steppen im China, das er hinter sich ließ, sich zurückfühlend in das Problem, das ihm China gestellt und dessen Beantwortung ihm der Westen verwehrt hatte. Er war sich dieser Frage zwar bewusst, aber hatte keine Lösung zu finden vermocht. Die Krankheit zog sich über Monatehinaus.
Einige Wochen vor seinem Tode, als ich schon für längere Zeit keine Nachrichten mehr von ihm hatte, wurde ich beim Einschlafen von einer Vision geweckt. An meinem Bett stand ein Chinese in einem dunkelblauen Obergewand, die Hände gekreuzt in den Ärmeln. Er verneigte sich tief vor mir, wie wenn er mir eine Botschaft überbringen wollte. Ich wußte, worum es sich handelte. Die Vision war außerordentlich deutlich. Ich sah nicht nur jedes Fältchen in seinem Gesicht, sondern auch jeden Faden im Gewebe seines Gewandes…“
Jung fasste das Problem von Wilhelmals einen Konflikt zwischen Bewusstsein und Unbewusstem auf, welcher sich in diesem Fallals Konflikt zwischen West und Ost darstellte.
Jung verstand Wilhelms Situation, sein Problem, die Krankheit und den Tod, denn er hatte das gleiche Problem und wußte, was es heißt, in diesem Konflikt zu stehen.
Er sah das wahre Problem von Wihlems innerem Konflikt und bemerkte Wilhelms Zögern, sein innerlichesVerschließen.
Diese Sachen gingen ihm ans Blut; das war ein „unbetretenes, nicht zu betretendes“ Gebiet, wohin man mit Gewalt hineingehen entweder kann noch darf…
In der Erinnerung, im Bewusstsein und im Unbewussten, gibt es einen Abgrund, wohin man nicht stürzen, sondern hinuntergehen sollte, zu der Asche, die Same ist, zu den Verschwundenen, Erforschten, zu denen, die sich für immer in Asche auflösten.
Zu denen, die vernichten, damit sie vernichtet werden.
Zu denen, die betrügen, damit sie betrügt werden.
Denn solange wir nicht lernen, die Toten durch Ferne und Zeit zu verstehen, wird Gott aus Nichts nicht aufscheinen.
Und alle versteckten Wahrheiten werden als ein Bumerang zurückkehren.
Die Wahrheit – kennen wir sie? Kommen nicht alle Leiden und alle Nöte aus Unwissenheit?
Führt die Unwissenheit nicht noch tiefer in den Fluch?

Ich ging durch dieses „unbetretene, nicht zu betretende“ Gebiet in der Suche nach dem Ritter-Alchemisten und den Lichthändlern und tauchte in die unbewusste Tiefe und das Kaisertum der Mütter ein.
Deshalb erinnerte ich mich an Friedrich Wilhelm und an meine andere Träume.
Sein tragisches Schicksal war wieein Spiegel.
So waren im Haus der heiligen Kriegeauch andere schattenhafte Gestalten Spiegel, in denen sich die ganze Kehrseite des Seins und der Geschichte unscharf widerspiegelte.
Damit das Haus der heiligen Kriege endlich unsere Stadt, das Neue Jerusalem, unser Haus, das Haus der Lichthändler werde, sollte man alles, was geschrieben ist, lesen.
Aber vieles war konträr geschrieben.
Alles sollte noch einmal im wunderbaren Spiegel gelesen werden, erst dann wieder geschrieben, indem man dabei die strengen Regeln der Form befolgte und in Betracht nahm, was sein konnte – die komplette Wahrheit. Die unruhigen Seelen der toten Ahnen schweben im Weltall und denken ihre Gedanken und wiederholen die Geschichte von t a u s e n d
J a h r e n und die Legende, dass von allen Völkern nur ein Volk weiß, dass die Asche Same ist…

Der Dichter hat die Macht, die prophetische und rettende Seelentiefe zu tasten, wo bis jetzt kein einzelner Mann den Weg der Einsamkeit des Bewusstseins wählte, um einen schweren Irrweg zu gehen, wo alle sich noch im gleichen Beben befinden, bis wohin Gefühle und Menschentaten außer Menschenwirklichkeit reichen. Wo das Bewusstsein kraft eines unterirdischen Stroms getrieben wird, wie ein hilfloser Betrachter der Geschehnisse…
Dieses Buch, also, hat einen unsichtbaren, einen unsignierten Koautor.
Denn nicht ich war derjenige, der all dies geschrieben hat, sondern die Seelenkomponente des Ritter-Alchemisten und der Lichthändler, die gleichzeitig ein Symbol und eine Mysterie sind, der Ausdruck einer urlebendigen Kraft in der Balkanseele, der ich geholfen habe, dass sie auf die Welt kommt…
Ich ging, wie das Licht durchs Glas, durch eine dicke Wand, die millenien- und jahrhundertelang geschaffen, mit härtesten Ziegeln und härtesten Steinen gebaut wurde.
Niemand konnte mir folgen, ohne mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Das Schicksal sorgte dafür. Oder vielleicht Gott? (Schrecklicher Gedanke!)…

(1988-2011)

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Бела Тукадруз (алиас М. Лукић, 1950 -  )
Бела Тукадруз (алиас М. Лукић, 1950 – )

* ÜBER DEN AUTOR
Bela TUKADRUZ (wirklicher Name Miroslav Lukić, geboren am 30. Juni 1950 in Mišljenovac in der Nähe von Požarevac, Nordost Serbiens). Er studierte komparative Literatur an der Philosophischen Fakultät in Beograd. Jahrelang arbeitete er als Literaturlehrer und Bibliothekar. Als Dichter begann er früh seine Gedichte zu veröffentlichen. Er ist Gründer von „Zavetine“ und von einigenLiteraturzeitschriften und Literaturpreisen. Er ist Inhaber und Koordinator der einflußreichen Sazvezdje ZAVETINE, die auffallend im Weltnetz ist und ein gutes Beispiel der Präsentation der serbischen Kultur und Literatur darstellt… Bis 2003 veröffentlichte er seine Werke unter seinem wirklichen Namen, danach erschienen seine Bücher unter dem Pseudonym BelaTUKADRUZ.

WERKE
Poesie: Lakomica (Verse, Plakette, 1965, Mišljenovac),Homoljski motivi (Gedichte, Kučevo, 1969), Zukvansko evanđelje (bibliophile Ausg., Požarevac, 1976), Zemlja Nedođija (Beograd, 1993), Flora de la munće (Beograd, 1993, nachgedruckt als letzter Kapitel des Romans UJKIN DOM), SveskaHOMOLJSKI MOTIVI (Beograd, 1996, bibliophile Ausg.),Zlatni Rasudenac (Beograd, 1996; bibliophile Ausg.), ARHIV U OSNIVANJU, 1-2,(Beograd, 1998; neue, zweite und dritte erweiterte bibliophile Ausg. des Buches SveskaHOMOLJSKI MOTIVI, ZLATNI RASUDENAC, Beograd, 1998), RAJSKA SVEĆA : opus Miroslava Lukića 1968-1998 (Beograd, 1998), Vrata Zvižda (Beograd, 1999), Rusalj (Sectio Caesarea, Paris, 1999). Kraljevske insignije (bibliophile Ausg., herausgegeben von den im Ausland lebenden Freunden des Autors; Paris – Freiburg – Beograd, 2000; zweite Ausg. 2001). Metla drvene Marije, 1 (Beograd, 2002; bibliophile Ausg.), Duboke pesme nemoguće ljubavi (Beograd, 2005)…LAS VILAJET (anonimna hronika) : odabrane pesme 1986-2003 (Mladenovac, 2010)…Sveska SAHARA AMAZON / Notebook SAHARA AMAZON (zweisprachige serbisch-englische Ausg., Beograd, 2011), Moara parasita : lice (Požarevac, 2012).
Prosa, Romane: Dnevnik za Senkovića (Beograd, 1983), Liturgija (Beograd, 1997), Ujkin dom (Beograd, 1997), Trgovci svetlošću (Beograd, 1998), Mesečeva svadba (Beograd, 1999), Kuća svetih ratova (Beograd, 2000), Doktor Smrt (Požarevac, 2003), Pasija po Amarilisu (Požarevac, 2008), Severci (Vršac, 2011)
Bücher mit Essays: Muzej Nemogućeg Ratara (Beograd, 1996, 1998), Metafizika u belom odelu (Beograd, 1998), In continuo, 1 (Beograd, 1998), Duhovi (Beograd, 1998), Religija poezije (Beograd, 1999), Umetnost mahovine (Požarevac, 2003).
Anthologien: NESEBIČAN MUZEJ (Beograd, 1998; 2000; 2002…-2009, acht Ausgaben), Antologija FENIKS (1998, 2002, 2003, 2006), Provalija srpske književnosti (Požarevac, 2011), Iz karantina (Niš, 2011)
Die gesammelten Werke von diesem Schriftsteller wurden drei Mal herausgegeben: UMETNOST MAHAGOIJA : dela Miroslava Lukića u 32 knjige (Beograd, 2002); ARHIV TRGOVACA SVETLOŠĆU: DELAMiroslava Lukića u 42 knjige (Beograd, 2003); VEČITI ČUDESNI KORENOVI : sabrana dela M. Lukića u 22 t. CD (Beograd, 2006).
Bela TUKADRUZ erhielt folgende Literaturpreise:
– erster Preis des FONDS JUNGER TALENTE und der Zeitung BORBA für Poesie (1969);
– zweiter Preis für Prosa von „Prosvetni pregled“ (1980);
– erster Preis Vukovo perofür Prosa-Buch in Manuskript (Tršić, 1990);
– „Drvo života“ („Lebensbaum“) fürdas Buch mit Essays „Umetnost mahovine“ (2003),
– „Povelja Karađorđe“ (2009) für sein der serbischen Geistigkeit gewidmetesLebenswerk
Mehr über Bela Tukadruz finden Sie unter folgenden Internetadressen:
http://sr.wikipedia.org/sr/%D0%9C%D0%B8%D1%80%D0%BE%D1%81%D0%BB%D0%B0%D0%B2_%D0%9B%D1%83%D0%BA%D0%B8%D1%9B
http://umetnostmahagonija.blogspot.com/ http://osnivaczavetina.blogspot.com/ http://blbelatukadruz/blogspot.com/ http://sites.google.com/site/arhivbelatukadruz

Bela Tukadruz (Mala Gospojina, 2012, Zvižd, fotodokumentacija Zavetina)
Bela Tukadruz (Mala Gospojina, 2012, Zvižd, fotodokumentacija Zavetina)

Der Dichter Bela Tukadruz oder Flecken der Vergänglichkeit

(Foto von Ivan Šišman, Mai 2010)`

** Nachwort

Der Autor des Romans „Trgovci svetlošću“ („Lichthändler“) brauchte fast zehn Jahre um seine unmögliche Trilogie „ANDJUJKA“ zu schreiben und abzuschließen. Die wurde in den vorigen Jahren unter dem Titel „Mladost bez starosti i život bez smrti“ („Jugend ohne Altwerden und Leben ohne Tod“) angemeldet. Die ersten zwei Bücher der Trilogie waren gut aufgenommen.*
Dantes Göttliche Komödie scheint heute ein bisschen anachronistisch zu sein, (1) die Trilogie ANDJUJKA nicht. Sie ist eine Attacke gegen die Phantasie des heutigen Lesers… Das Beachtenswerte und die Bedeutsamkeit dieser Trilogie liegt in der überraschenden Originalität und in großer geistiger Energie. Die Gestalt aus serbisch-walachischem mythologischem Milieu Andjujka oder ihre Seele ist überzeugender als Beatrice, sie scheint urwüchsig zu sein, obwohl sie in der alten Welt des altbalkanischen Erbes entstand.
In seiner Trilogie organisierte Bela Tukadruz nichtwie Joyce eine Menge verworrener Assoziationen, er bemühte sich nicht ein undiszipliniertes Spiel des Bewusstseins auszumalen; der Autor drang tief ins Unbewusstsein, in die Inhalte der Psyche, in die Archetypen,Träume,ins Uranfängliche, in die Visionen hinein.
Bela Tukadruz gelang zu den unsichtbaren Wurzeln des Bewusstseins, er machtein allen drei Büchern der Trilogie Fortschritte durch das Labyrinth im Menschen, in der Menschenseele.
In den Träumen enthüllte dieser Autor die komplette einstige Aufgabe der Menschheit. Dieser Romancier schöpfte aus Quellen der Seele, aus denen alle Wissenschaften und alle Kunstwerke quellen. Dante schrieb drei Bücher der Göttlichen Komödie, Goethe zwei Werke unter dem Titel Faust; Bela Tukadruz drei zauberhafte Bücher des Zyklus Andjujka, die auf bestimmte Weise ein Pendant zu den oben genannten Werken darstellen. Im Buch Trgovci svetlošćuwurde das Leben der Schäferin und Kräuterfrau, der Mutter Andjujka auf dem Balkan geschildert; im Buch „Kuća svetih ratova“ („Das Haus der heiligen Kriege“) wurde die Todesfahrt von Adjujkas Seele dargestellt; im dritten, neuesten Roman„peitscht“ein „Sternenstaub“der Ereignisse, die von hinten des kosmischen Vorhangs kommen; die Grenzen des menschlich Möglichen werden gebrochen. Die letzten zwei Bücher von Belatukadruz’ Trilogie dringen in andere Welten hinein, öffnen den Blick in unfassbare Tiefen der Ewigkeit.
Nach vielen Jahrhunderten ist ein Dichter und Schriftsteller auf dem Balkan geboren, er wurde in goldener Wiege des altbalkanischen Erbes geschaukelt, er, der große Versöhner des Alten und Neuen Europas.
Die stärksten Vermutungen eines geborenen Dichters bekamen ihren allgemeinen und zeitlosen Weltausdruck in der unmöglichen Trilogie Adjujka.
Nach Jungs Tod wurde das Werk SEPTEM SERMONES AD MORTUOS veröffentlicht, das von Belatukadruz (nicht ganz) im ersten Roman seiner Trilogie zitiert wurde. Bela Tukadruz konnte für den Haupthelden statt Adjujka jemanden anderen aus ihrer Umgebung wählen. Belatukadruz beschreibt Adjujka im hohen Alter, aber er beschäftigt sichdie ganze Zeit mit Verdeutlichung der Götterwelt, der hellen Götter, die die Himmelswelt bilden und der dunklen Götter, die die Erdenwelt bilden. Die Himmelswelt ist vielfach,unendlich sich erweiternd und vergrößernd – ihr oberster Herr ist der Gott Sonne. Der Teufel ist der untersteHerrder Erdenwelt. Diese Welt, die scheinbar unsichtbar ist, verdeutlicht sich in Geistigkeit und Geschlechtlichkeit. Bela Tukadruz wusste, dass die Geschlechtlichkeit des Mannesmehr erdhaft, und dieGeschlechtlichkeit des Weibes mehr geistig ist – vielleicht hat er eben deshalbAdjujka für seinen Haupthelden gewählt? (2)
Er wusste, dass dieGeistigkeitdes Mannes mehr himmlisch ist und zumGrößerem geht, deshalb hat er wahrscheinlich Bendjujkin (den Geist Ludwig van Beethovens) für Andjujkas Bräutigam im Himmel gewählt.
Wenn wir die Welt von Bela Tukadruz’ Trilogie und die Helden aus dem Sicht derSEPTEM SERMONES AD MORTUOS betrachten, dann ist Vieles verständlicher: vor allem werden nachvielen Jahrhundertendie Anspiegelungen und Antizipationen des Gnostikers Basilides aus Alexandria (2. Jahrhundert u. Z.) und die Jungs verständlicher. Es ist ein Glücksumstand, dass Belatukadruz die Anregungen für die drei Bücher seiner Trilogie nicht bei den Gnostikern, Jung und den Alchimisten fand, sondern in den unversiegbarenQuellen des altbalkanischen Erbes und der lebendigen Tradition.
Die Schatzkammer der Weltliteratur ist um noch drei Bücher von Bela Tukadruz bereichert, die in den Jahren des Schwungs seiner schöpferischen Entwicklung undvollen Reife geschrieben wurden. Das sind Bücher über Helden, über Weib und Mann, deren Wege sich trennten, damit sie sich in der Ewigkeit wieder kreuzen.
Bela Tukadruz hat kein Buch über lügnerische und teuflische Geistigkeit, über Geistigkeitdes Mannes und des Weibes geschrieben, im Gegenteil! Eben weil wir in diesen Büchern sehen, wie Engel entstehen und verkehren, ist Bela Tukadruz ein Weltliterat, bei dem wirwie bei SwedenborgEinfachheit und Überzeugungskraftfinden.
Bela Tukadruz ist auf den Ästen der riesigen Bäume der Weltliteratur (Dante, Swedenborg, Goethe, Jung…) gewachsen und hat sich entwickelt. Er ähnelt einem himmlischen Efeu, dessen Spitze und Blätter sich in die Wolken und Blitze verwickelt haben… Er hat die größten Anerkennungen verdient, vielmehr als alle serbischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts, denn er hat den Sinn desEinzelseins, der Verschwendung und der Gemeinschaft erkannt. (3)
Vieles wissen wir weder von äußerer noch von innerer Welt. Die Trilogie Andjujka drang maestral auf das Gebiet des Unbekannten in der inneren Welt, das Jung das Unbewusste nennt, hinein.
Bela Tukadruz ist ein Schriftsteller, der sich dem eigenen Schicksal nicht widersetzt: er erfüllt es.
Ihm,als Schriftsteller, wurde viel Unrecht angetan, vor allem: das Erscheinen seiner Bücher wurde verhindert, und zwar nicht von der Seite des Regimes des Landes, in dem er lebt, sondern vor allem von amoralischen Kollegen und Redakteuren, die vielleicht selber ein gelungenes Buch geschrieben haben, aber die eigentlich kleine Leute sind, die, wie die Epoche, mit der sie eine „gemeinsame Sprache“ gefunden haben, verbraucht sind.
Sie waren intelligent und hatten Recht, wenn sie diesen Schriftsteller, der mit seinem Werk, mit dem Besten was er geschrieben hat, die festgesetzten, im Voraus festgelegten Proportionen, Kanonisationen usw. störte,daran hinderten. Und jene Kritiker, die Bela Tukadruz Komplimente machten, indem sie der Meinung waren, dass er nach dem frühzeitigen Tod der regionalen Schriftsteller Z. Pavlović, Džunić ihren Platz eingenommen hat, haben diesem Romancier, Kritiker, Essayisten, Anthologen und Dichter Unrecht angetan: er schuf alsSchriftsteller viel mehr als sieund verwickelte sich als Essayist, Dichter und Romancier in die Weltliteratur als ein verspäteter Schriftsteller. Bela Tukadruz schrieb Bücher, die gelesen und verstanden werden können, nicht nur in dem Land und in der Sprache, in der sie geschrieben sind, sondern überall auf der Welt. Bela Tukadruz begriff das ungeschriebene Gelöbnis des verstorbenen Danilo Kiš und viel mehr.
Die Verlage hier und in der Welt, die das rechtzeitig einsehen, werden auch Nutzen davon haben.
Bela Tukadruz verstand und fühlte tief, dass wir hier, in diesem Leben schon eine Verbindung mit der Unendlichkeit haben – seine Werke zeugen davon. Schließlich sind sie im Rahmen der serbischen nationalen, aber auch in der europäischen und Weltliteratur so wertvoll wegen des Sinns, den sie verkörpern, und das Leben von Bela Tukadruz ist nicht verfehlt, weil es ihn verkörpert. Wenn die Rede von Bela Tukadruz´ Beziehungen zu den anderen Dichtern und Künstlern, lebendigen und toten, nationalen, europäischen und denen aus der Welt ist, ist die wichtigste Frage dieser Beziehungen die Ausprägung der Elemente der Unendlichkeit und Unzurückführbarkeit. Die Figur von Bendjujkin im letzten Roman der Trilogie ist nicht nur ein ausgezeichnetes Hommage an das Musikgenie Ludwig van Beethoven, sondern auch an Musik, dievollkommenste zwischen den Künsten…
Mitte 2011 Aleksandar Lukić
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(1) Dante sang von der Hölle, dem Läuterungsberg und dem Paradies und Belatukadruz berührte das Tiefste im altbalkanischen Erbe in seiner Trilogie: Adjujka (…). / Das, was der reife Goethe wollte oder versuchte, während er den zweiten Teil des Faust schrieb, gelang fast anderthalb Jahrhundert später einem serbischen Schriftsteller, vor allem wenn die Rede vom dritten Buch der Trilogie ist… Das ist ein ausgezeichnetes Buch. Ein ewiges, seltenes. Ein begeistertes. Eine Enthüllung. Im Gegensatz zu Joyce, dessen Absicht war, etwas, was noch nicht existierte, zu schaffen, etwas Grundsätzliches, ganz Neues, Überraschendes, Originelles, indem man alle Mittel (Verdrehen der Sprache, Verneiung der akzeptiertesten Konventionen und der Tradition, mithilfe durchgedachter Entweihung der Ideen, Irreführung, Schilderung drastischer Szenen, des Zersprengens des Menschen in Atome der Gefühle… usw.) benutzte, wählte Belatukadruz einen anderen Weg; obwohl vielleicht richtiger wäre zu sagen, dass der Autor zum Mittel der eigenenausgezeichneten schöpferischen Entwicklung wurde. Joyce schuf ein seltenes Literatur-Experiment (den Roman Ulysses), Belatukadruz komponierte den Roman wie eine Symphonie, eine himmlische Symphonie, die Sinfonie Nr. 10… (Savatije Ig. Mitrović – Auszug aus dem Nachwort zur ersten Ausgabe, Beograd, 2002).

(2) Wir erinnern uns: „Die Geistigkeit des Weibes ist mehr erdhaft, sie geht zum Kleineren.
Lügnerisch und teuflisch ist dieGeistigkeit des Mannes, die zum Kleineren geht.
Lügnerisch und teuflisch ist die Geistigkeit des Weibes, die zum Größeren geht.
Jeder gehe zu seiner Stelle.
Mann und Weib werden aneinander zum Teufel, wenn sie ihre geistigen Wege nicht trennen, denn das Wesen der Creatur ist Unterschiedenheit.
Die Geschlechtlichkeit des Mannes geht zum Erdhaften, die Geschlechtlichkeit des Weibes geht zum Geistigen.
Mann und Weib werden aneinander zum Teufel, wenn sie ihre Geschlechtlichkeit nicht trennen.
Der Mann erkenne das Kleinere, das Weib das Größere.
Der Mann unterscheide sich von der Geistigkeit und von der Geschlechtlichkeit. Er nenne die Geistigkeit Mutter und setze sie zwischen sich und Erde.
Er nenne die Geschlechtlichkeit Phallos und setze ihn zwischen sich und die Erde. Mutter und Phallos sind übermenschliche Dämonen, die die Götterwelt verdeutlichen. Sie sind uns wirksamer als die Götter, weil sie unserm Wesennahe verwandt sind. Wenn ihr euch von Geschlechtlichkeit und Geistigkeit nicht unterscheidet, indem ihr sie nach größerem und kleinerem Wesen unterscheidet, so verfallt ihr ihnen alsEigenschaften des Pleroma.
Geistigkeit und Geschlechtlichkeit sind nicht eure Eigenschaften, nicht Dinge die ihr besitztund umfaßt…“
(3) „Die Gemeinschaft ist die Tiefe.
Das Einzelsein ist Höhe.
Das richtige Maß in Gemeinschaft reinigt und erhält.
Das richtige Maß imEinzelseinreinigt und fügt hinzu.
Die Gemeinschaft gibt uns die Wärme, das Einzelsein – das Licht.“
Lukić wurde in den letzten Jahren wegen des Einzelseins gelobt.
Aber, man sollte ihn wegen des richtigen Maßes sowohl des Einzelseins als auch der Gemeinschaft loben.
Die Tatsache, warum dieser Schriftsteller unvergeßlich bleiben wird, finden wir auf den Seiten seiner außergewöhnlichen Trilogie.
Belatukadruz hat keine Märchen geschrieben – die serbischen Kritiker haben nicht gleich verstanden, was dieser Schriftsteller geschaffen hat. Aber Ähnliches passierte schon früher in anderen Literaturen und anderen Kulturen… Belatukadruz entdeckte und schuf mit dieser Trilogie eine ganze Welt, indem er in das Unbewusste eindrang, vom Unbekannten ausgehend, das aus allem, was wir nicht wissen, besteht.

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Bela Tukadruz, slika  autorasnimljena u Zviždu tokom leta 2012
Bela Tukadruz, slika autorasnimljena u Zviždu tokom leta 2012

*Auszüge aus Kritiken

„Der Roman Trgovci svetlošću („Lichthändler“) von Miroslav Lukić ist Ausdruck schriftstellerischer Reife des Autors – eine glückliche Synthese der Erfahrungen der modernen Prosa, die den Mythos und den Traum, die Geschichte und die Folklore, den Symbolismus des Einzelnen und des Besonderen in der Welt mit dem Universalismus des Lebens- und Künstlergeheimnisses kreuzen“ (In: VEČERNJE NOVOSTI, 17. Januar 1999, S. 12, „Jugoslovenski kritičari biraju knjigu godine“, J. Pejčić)

„Der neue Roman von Miroslav Lukić TRGOVCI SVETLOŠĆU(LICHTHÄNDLER)…
Lukić’s Geschichte lehnt an die Kenntnisse von Freud, Jung, dem I Ging, den Ritter-Alchimisten und den Lichthändlern an. Das Buch wird als ein kontinuiertes Märchen gelesen. Lukić ist, wie gesagt, ein authentischer Träumer in dieser Region, unser Pendant zu Márquez, Borges, Castaneda und Coelho. Sein neuer Roman TRGOVCI SVETLOŠĆU ähnelt einem großen Märchen, das von Legenden und Mythen des Balkans und des Alten Europas inspiriert wurde. Zaubereien und Hexereien, Magie und Ritualen, das Zusammentreffen von Paganismen mit dem Christlichen – dassind Faktoren in Lukić´s verzauberter Welt…“
(Stvoreno u potaji. Začarani svet. –In:POLITIKA, Anfang 1999, Z. R.)

„…Kuća svetih ratova(Das Haus der heiligen Kriege)ist einer der kürzesten Romane von Lukić: nur achtzig Seiten! Lukić wurde schon mit Borges verglichen, aber das ergibt erst mit der Veröffentlichung dieses Buches einen Sinn. Lukić zeigte mit diesem Buch, dass es eine mühselige und beschränkte Begeisterung ist, dicke Bücher zu schreiben und einen Gedanken,der mündlich in wenigen Minuten perfekt erklärt werden könnte, auf fünfhundert Seiten zu entfalten. Bei weitem ist besser das Verfahren, das davon ausgeht, dass es diese Bücher schon gibt, und dass dannein Auszug, ein Kommentar dazu gegeben wird. / Dieses Werk ist, also, im wahrsten Sinne des Wortes ein ausgezeichneter Kommentar zum mysteriösenThema – der Reise der Seele durch das Totenreich. / Das ist kein Buch, das unter dem Einfluß vom Tibetischen TOTENBUCH geschrieben wurde. Das ist ein allbalkanisches Totenbuch…“ (KNJIGA O APSOLUTU. – In: BORBA, Svet knjige, 2001, A. L.)

„… ´Gott ist das Licht´ steht in der Bibel und in Lukić´s Roman wurde gesagt, dass ´Gott die Seelen wie ein Magnet anzieht´ (S. 66). Adjujkas Seele führt der Engel mit “erhelltem Gesicht“ in das Haus der heiligen Kriege hinein, während sie mit der Lampe den Weg beleuchtet. Dieses Doppel-Licht, das Licht der Lampe und das des Engels, hat die Funktion, die dunklen Teile der Seele zu erhellen und die Monster, die da versteckt sind, zu enthüllen. / Dieses Motiv wird von Lukić noch sorgfältiger und treuer als das vorige entwickelt. Vor allem ist der Name der Heldin aus dem Wort Engel (Engel=andjeo) abgeleitet, wasmit Weiß und Reinheit assoziiert…“ (Miroljub Milanović: „Svetlosni efekat i donji svet u romanu KUĆA SVETIH RATOVA Miroslava Lukića“, In: SAVREMENIK, Beograd, Nr. 86-87-88/2001, S. 107-108).

„… vor uns wird auf einmal eine literarische Welt enthüllt, in der alles nach immanenten Gesetzlichkeiten einer wahren und Großen Kunst zu funktionieren anfängt. Den betretenen Weg des kollektiv Unbewussten lang beginnt, also, die Geschichte als uraltes Wunder der Sprachkunst in ihrer ursprünglichen und originalen Funktionzu existieren… „Trgovci svetlošću“ („Lichthändler“) ist eineaufgrund des archetypischen Musters des Alten Balkans brav erzählte (man könnte sagen – gedichtete) Geschichte, ein selbstgeborenes, vollblutiges und nach Schöpferphantasie reiches, modernes Märchen, das als Basis einen Liebeskontext hat, aber das ist nur der Ausgangspunkt, womit viel mehr und viel ausführlicher gesagt wird…
Jeder Satz von diesem Roman, der nach innerem Hintergrund und Rhythmus reine Poesie ist, ist gleichzeitig Ausdruck entdeckerischer Urweisheit. Das liegt in den Genen… mit dem Roman „Trgovci svetlošću“ hat Miroslav Lukić einen ernsten Platz in der modernen serbischen Literatur, in ihrer heterogenen und reichen Entwicklung am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts eingenommen…
(Starovlaška bajka. – In: ŠKOLSKI ČAS, Beograd, Nr. 2, S. 100-104, gedruckt auch im Buch Slavica Garonja: IZ SENKE, KOS, KD „Sveti Sava“, Beograd, 2003, S. 162-167)

„… Im Roman „Trgovci svetlošću“ („Lichthändler“) von Miroslav Lukić wird uns ein ganz neuer und für die Literatur unberührt frischer Raum enthüllt. Traumseherisch betrachtet ist er unendlich, aber trotzdem auf sgn. Zentrum des Balkans fokusiert, er ist ein dunklesVilâyet,mit merkwürdigerEntität der Walachen besiedelt… Der Schriftsteller Miroslav Lukić hat mehr als dreißig Bücher veröffentlicht, die nach ihrem Genre sehr unterschiedlich sind: von Poesie bis zum Roman, Dramen, Studien und Essays. Im Gegensatz zu Milorad Pavić, der seine Mythologie ausdenken musste, hatte Miroslav Lukić das Glück, sie im Erbe seiner Väter zu entdecken… Miroslav Lukić verführt uns mit der Begabung eines leichthändigen Schriftstellers in die Idylle, diein Form eines Wiegenliedes, eines Gebets oder eines Märchens geschrieben ist…“ (Miroslav Lukić: Trgovci svetlošću, „Braničevski glasnik, 2“, Požarevac, 2003 (2004), S. 161-164, S. Jovanović)

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videti na srpskom> https://principova.wordpress.com/2013/03/09/%D1%82%D0%B0%D0%BC%D0%BD%D0%B8-%D0%B2%D0%B8%D0%BB%D0%B0%D1%98%D0%B5%D1%82-%D1%98%D0%B5%D0%B4%D0%B8%D0%BD%D0%BE-%D0%BC%D0%BE%D0%B3%D1%83%D1%9B%D0%B8-%D1%83%D0%B2%D0%BE%D0%B4-%D0%B1%D0%B5%D0%BB/
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